Antisemiten kann man nicht verbieten…

…aber auch nicht einladen

Für den 8. November lädt die Aktive-Fachschaft-Politikwissenschaften und die Fachschaft des CNMS zur Auftaktveranstaltung ihrer Reihe „Die neue Türkei?“ ein. Dabei stellen Kerem Schamberger und Michael Meyen ihr Buch: „Die Kurden – Ein Volk zwischen Unterdrückung und Rebellion“ vor. Das Thema liegt auf der Hand: Die fortschreitende Islamisierung der türkischen Gesellschaft, die rücksichtslose Abschaffung demokratischer Grundfreiheiten und der militärische Einsatz gegen die eigene Bevölkerung im Südosten des Landes sowie der Krieg in Syrien, die sich beide vor allem gegen die kurdischen Bevölkerungsteile richten, sind genügend Anlässe sich kritisch mit der aktuellen Politik der Türkei zu beschäftigen. Eine Auseinandersetzung an der Universität ist deswegen begrüßenswert.

So verständlich das Anliegen, so unverständlich bleibt, warum ausgerechnet Schamberger und Meyen eingeladen wurden.

Kerem Schamberger engagiert sich seit einigen Jahren als Blogger zum Thema Kurdistan. Nicht alles was er dazu schreibt ist falsch. Aber dennoch: Wer ihm länger folgt, wird früher oder später mit Positionen konfrontiert, die Schamberger als Referenten untragbar machen. So sind beispielsweise absurde Gleichsetzungen zwischen Erdogan, den Schamberger als einen „Terroristen, Unterdrücker und Kriegshetzer“ betrachtet, mit dem israelischen Präsidenten keine in Rage geschriebene Ausrutscher[1], sondern die festen Überzeugungen eines radikalen Antizionisten. Wie fließend dabei die Übergänge zum Antisemitismus sind, offenbart Schamberger auf seiner Facebook-Seite. Hier teilt er regelmäßig Karikaturen von Carlos Latuff[2]. Als Kommunikationswissenschaftler sollte Schamberger wissen, wessen Material er dort verbreitet. Ihm Naivität zu attestieren wäre vermessen. Vielmehr muss von Zustimmung ausgegangen werden.

Schamberger unterstützt darüber hinaus Aufrufe der antisemitischen BDS-Kampagne[3]. Jener Organisation, die unterschiedslos zum Boykott israelischer Waren, Künstler*innen und Akademiker*innen aufruft, den Kapitalabzug aus Israel erpressen und Sanktionen gegen Israel durchsetzen möchte. BDS zielt dabei explizit auf die Existenz des jüdischen Staates ab und nicht auf Verhandlungen. Die Kampagne ignoriert die zahlreichen islamistischen Terroranschläge auf israelische Zivilisten nicht nur, sondern verteidigt diese auch immer wieder. Dass aus ihren Gliederungen selbst regelmäßig Vernichtungsphantasien gegenüber Israel ausgesprochen werden, hat System: die Verbindungen zur Hamas und anderen islamistisch und nationalistischen Gruppen sind zur Genüge belegt. Für Schamberger scheinen derartige Positionen und Verbindungen kein Problem. Im Gegenteil: Auf seiner Facebookseite verkündet er, dass es ihm eine große Ehre gewesen sei den führenden BDS-Aktivisten Farid Esack während seiner Südafrika-Reise getroffen zu haben[4].

Schamberger protegiert jedoch nicht nur die vermeintlich zivile BDS-Kampagne, sondern geht immer wieder auf Tuchfühlung mit sich selbst als revolutionär begreifenden palästinensischen Terrororganisationen wie der PFLP, PPP und DFLP. Dass deren „Revolution“ in der Vergangenheit vornehmlich in Form antisemitischer Anschläge ausgetragen wurde, ist Schamberger keinen Ton der Kritik wert. Vor zwei Jahren berichtetet er begeistert von einem seiner regelmäßigen Besuche bei seinen „Genossen“ in der Westbank anlässlich des Farkha-Festival, wie „enthusiastisch“ die Begrüßung gewesen sei, man kenne sich schließlich „schon seit Jahren“[5]. Besonders erfreut war er „einen jungen Genossen zu sehen, der die letzten beiden Jahre in israelischen Gefängnissen verbracht hat, da er auf einer Demonstration Soldaten mit Molotow-Cocktails beworfen haben soll.“[6] Ein Revolutionär ganz im Sinne Schambergers.

Früher war Schamberger selbst Teil der „Revolution“, damals in den Reihen der Münchener DKP. Für sie hielt er im Sommer 2014 eine Rede auf einer Kundgebung gegen den Gaza-Krieg von 2014. Seinem dichotomen Weltbild entsprechend, bemühte er dabei die alttestamentarische Geschichte von David gegen Goliath. Nur dass in seiner Version Israel als der unerbittliche Riese herhalten muss, während der kleine David ein nicht näher bestimmtes Palästina darstellt, das nicht „wie in der Sage, in der Lage ist Goliath zu verletzen, geschweige denn ihn zu besiegen“[7]. Dass der Auslöser für die israelische Militäroperation „Protective Edge“ die Entführung und Ermordung von drei israelischen Jugendlichen durch die Hamas war, ignoriert Schamberger dabei geflissentlich. Genauso wie ihm die tausenden verletzten und ermordeten israelischen Zivilisten in der „Zweiten Intifada“ nicht in den Sinn zu kommen scheinen, wenn er von einem „unverletzlichen israelischen Goliath“ phantasiert.

Schambergers Verständnis vom Nahostkonflikt ist geprägt von einer manichäischen Weltsicht. Hier die unschuldigen Unterdrückten, dort die bösen Imperialisten. Dazwischen gibt es nichts und darf es nichts geben. So gilt ihm Gaza scheinbar als geschichtsloser und apolitischer Raum, in dem die Unterdrückten einfach nur ihr Leben leben wollen und daran einzig und allein von Israel gehindert werden. Worte zur Hamas, die das antisemitische Traktat der „Protokolle der Weisen von Zion“ zu ihrer Charta erklärt hat, die regelmäßig vermeintliche Kollaborateure mit Israel aufhängen lässt und eine brutale Terrorherrschaft gegen ihre eigene Bevölkerung durchsetzt, bekommt man in der Rede nicht zu hören. In Israel aber, da sei die Regierung mit „faschistischen Kräften“[7] durchsetzt. Überhaupt scheint Israel nur aus Politik zu bestehen, eine Zivilbevölkerung scheint das Land im Denken Schambergers nicht zu besitzen.

Antisemitismus scheint für den selbsterklärten Kommunisten überhaupt nur ein Nebenwiderspruch. In seiner Rede zum Nahostkonflikt kommt er lediglich in Form einer Täter-Opfer-Umkehr vor, die Auschwitz zum Argument gegen Israel machen soll:

In Deutschland wird uns oft geraten, wir hätten uns mit Kritik an Israel zurückzuhalten, weil Auschwitz ein unauslöschlicher Teil unserer Geschichte ist und jede Israelkritik einem antisemitischen Generalverdacht ausgesetzt sei. Ja – Auschwitz war die Ausgeburt eines menschenverachtenden kapitalistischen Systems und wir werden nicht zulassen, dass die heutigen Vertreter des gleichen kapitalistischen Systems, egal ob in den USA, der EU oder Israel es als Waffe benutzen um heutige Verbrechen zu rechtfertigen. Wir lassen nicht zu, dass der Protest [sic!] gegen die Politik Israels als antisemitisch diffamiert wird. Und wir wenden uns gegen alle, die die Politik Israels für rassistische, antisemitische, fundamentalistische und nationalistische Motive missbrauchen wollen.“[7]

Bei Schamberger besiegt das Bauchgefühl den Verstand: Israels Regierung ist die am meisten und heftigsten kritisierten dieser Welt. Kein Staat vereinigt mehr Verurteilungen durch die Vereinten Nationen auf sich. Das Wort „Israelkritik“ hat es sogar in den deutschen Duden geschafft in dem man „Syrienkritik“ oder „Zypernkritik“ vergeblich sucht, aber Antisemiten lassen sich in der Regel ja nicht von Empirie behelligen.

Genauso wahnwitzig ist die Behauptung die USA seien als heutige „Vertreter des kapitalistischen Systems“ diejenige Kraft, von der das „neue Auschwitz“ ausgehe. Hier offenbart sich nicht nur, dass Schamberger nicht in der Lage ist die Spezifik des deutschen Nationalsozialismus zu fassen, sondern auch ein Geschichtsverständnis der antiimperialistischen Phantasterei. Schamberger ignoriert sowohl die Tatsache, dass die USA ganz wesentlichen Anteil an der Zerschlagung des historischen Nationalsozialismus hatten, ebenso wie dass das spätere Israel in den 1930er Jahren als einziger Zufluchtsort für Juden und Jüdinnen aus Europa verblieb. Verwiesen sei für den Steinzeit-Kommunisten Schamberger auch auf die milliardenschweren kriegsentscheidenden US-Lieferungen an die Sowjetunion.

Zum Finale seiner Hassrede wiederholt Schamberger die bereits genannten antisemitischen Bilder und macht Israel für den Terror gegen seine Zivilbevölkerung selbst verantwortlich: „Es ist die israelische Politik des Landraubes, der Vertreibung, der Einmauerung, des Rassismus und der Massaker, die jenen Hass gebiert und fördert, der zu immer neuen Katastrophen führt.“[7] So rationalisiert man sich seinen Antisemitismus.

An Schambergers Weltsicht hat sich seit 2014 wenig geändert. Erst kürzlich gratulierte er der BDS-Ikone Ahed Tamimi zur Freilassung aus einem israelischen Gefängnis. Bei der Pressekonferenz nach ihrer Freilassung war er sogar persönlich vor Ort. Schambergers Heldin verkündete zuletzt den Staat Israel als Ganzes „entfernen“ zu wollen[8]. Dabei sei jedes Mittel legitim: „Messerattacken, Selbstmordanschlägen oder das Werfen von Steinen“[9]. Schamberger darf seine unheimliche Bewunderung für Tamimi mittlerweile auch auf der Internetseite des Meyen-Instituts absondern. Seine „kritische Analyse“ des Erfolgs Tamimis in westlichen Medien verliert dabei selbstredend kein Wort über ihre Gewaltaufrufe.

Michael Meyen ist Professor an der LMU München und dürfte so etwas wie der akademische Ziehvater von Schamberger sein. Neben dem Arbeitgeberverhältnis verbindet beide die Begeisterung für Antisemiten. So gab Meyen im Juni diesen Jahres Ken Jebsen ein 1,5 stündiges Interview um sein Buch „Breaking News: Die Welt im Ausnahmezustand“ vorzustellen. Meyen bewegt sich darin zwischen Allgemeinplätzen geisteswissenschaftlicher Ausbildung: „Man darf, glaube ich, das was wir in den Medien finden nicht für einen Spiegel der Realität halten.“[10], verschwörungsideologischem Denken:

„Ich nutze ja nicht die traditionellen Medienangebote um mich zu informieren wie es heute in Israel, Iran oder in Russland aussieht. Ich erfahre dort doch bestenfalls wie es die deutsche Politik gerne möchte, dass es in Israel, Iran oder Russland aussieht.“[11] und kurz darauffolgenden Widersprüchen: „Die Medien bestimmten ja was in den Medien ist.“[12]

Wie tief Meyen Jebsen ideologisch verbunden ist, zeigt sein Rechtfertigungsschreiben „Ken Jebsen und das Establishment“, das er nach öffentlicher Kritik an seinem Auftritt mit dem Antisemiten Jebsen aufsetzte. Darin adelt er Jebsens billiges YouTube-Format KenFM als vorbildlichen Journalismus:

Er hat nicht schon im Kopf, was er sagen oder senden will. Keine ‘Realität‘ aus der Redaktionsstube, die der Gesprächspartner nur noch illustrieren muss (und die einfach nicht gesendet oder gedruckt wird, wo er das nicht tut). ‚Was Schönes aus den Aufnahmen‘ basteln: So funktioniert Journalismus heute. KenFM funktioniert so nicht.“[13]

Einem verschwörungsideologischen Einpeitscher wie Jebsen zu unterstellen er habe keine genaue Zielrichtung auf die seine Interviews hinführen sollen, ist im besten Fall naiv, was für einen Professor eine äußerst unschickliche Eigenschaft wäre. Im schlimmsten Fall macht man sich aber zum nützlichen Idioten eines Antisemiten. Wer sich das gelobte Jebsen-Format ansieht, wird bald feststellen, dass Jebsen, trotz unterschiedlicher Gäste, die immer gleichen Geschichten von „den Bösen da Oben“ erzählt. Dies erreicht er durch extrem verkürztes und stark verzerrtes Zusammenfassen der Aussagen seiner Gäste um sich dann schnell dem nächsten Punkt zuzuwenden, ohne der interviewten Person die Möglichkeit zu geben, nachzubessern zu können. Es ist durchaus fraglich, wie man es bis zum Professor schafft, wenn man auf diese Taschenspielertricks reinfällt und das Ganze am Ende sogar noch gut findet.

Der Jebsen-Auftritt war nicht das erste Mal, dass Meyen bei dubiosen Medienformaten aufschlug. Im Mai dieses Jahres gab er dem staatlichen russischen Medienportal Sputnik ein Interview, indem er eine gesteuerte Hetzkampagne gegen Russland in deutschen Medien behauptete. Dem zum großen Teil aus Verschwörungsideologen, Pegida-Anhängern und anderen „Lügepresse“-Schreiern bestehenden Sputnik-Publikum bescheinigte er:

Was ich immer wieder festgestellt habe, ist, dass die Medienkritik, die laut wird im Moment, dass die letztlich eine Systemkritik ist. Man wirft es weniger einzelnen Journalisten vor, dass sie einseitig sind, sondern man wirft dem System vor, dass es nicht in der Lage ist, einen Rundfunk zu unterhalten, der die Normen bedient, die man sich selber gibt: Objektivität, Ausgewogenheit, Vielfalt, Unabhängigkeit von politischen Interessen.“[14]

Durch derlei Aussagen wiegt man jenes Klientel, das sonst Menschen durch deutsche Innenstädte jagt, die “BRD-GmbH” abschaffen will oder von einem eurasischen Rassestaat träumt in der Gewissheit sich zu den „Systemkritikern“ zählen zu dürfen.

Auch sonst unterstützt Michael Meyen allerlei reaktionären Unsinn, wenn er zum Beispiel Aktivisten der International Association of Lawyers against Nuclear Arms ausführlich auf der Webseite seines Instituts zitiert: „Das Fernsehen spricht nicht mit seinen Kritikern, und draußen sind viele Themen Tabu. Israel, die USA, die westliche Politik gegenüber Russland. ‚Die Dominanz der Amerikaner muss zu einem Thema werden‘, sagt Albrecht Müller. ‚Das ist eine Frage von Krieg und Frieden hier bei uns.‘ Andreas Zumach, der unter anderem für die taz schreibt, geht noch einen Schritt weiter und spricht von einer ‚systematischen Kampagne gegen alle, die es wagen, die israelische Regierungspolitik zu kritisieren‘. Antisemitismus: Das ist der Vorwurf, der Kritiker trifft. Andreas Zumach: Das Tabu bereite den nächsten Krieg vor – gegen den Iran, geplant von einer Allianz, zu der neben Israel und den USA auch Saudi-Arabien gehöre.“[15]

Ebenfalls auf der Seite des Instituts-Blogs findet sich ein Artikel der sich mit dem Anti-BDS Beschluss des Münchner Stadtrates beschäftigt[16]. Der Autor schlägt darin vor, doch bitte auch die Befürworter von BDS-Veranstaltungen zu Wort kommen zu lassen und phantasiert, dass der Beschluss im Stadtrat nur zustande gekommen sei, weil der Oberbürgermeister so gut mit der Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde befreundet sei. Für Meyen offensichtlich ganz legitime Medienkritik.

Kerem Schamberger und Michael Meyen sind ganz offensichtlich untragbar.

Wir fordern die Fachschaften daher umgehenden zur Ausladung auf!

Offenes Antifa Treffen Marburg

Streit_wagen

Oktober 2018

[1] URL: https://www.facebook.com/kerem.schamberger/posts/10212062900673200

[2] Carlos Latuff setzt in seinen Bildchen immer wieder den Staat Israel mit dem historischen Nationalsozialismus gleich oder stellt Israel als besonders blutrünstig dar. Diese Spielen auf der Klaviatur des israelbezogenen Antisemitismus brachte Latuff nicht nur Bekanntheit in allen Kreisen des antiisraelischen Aktivismus ein, sondern ermöglichte es ihm 2015 den zweiten Preis des Holocaust-Karikaturen-Wettberwerbs des iranischen Mullah-Regimes zu gewinnen. URL: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10212066596965605&set=a.10210608544475204&type=3&theater&ifg=1

[3] https://www.facebook.com/kerem.schamberger/posts/10212774151654030?__tn__=-R

4] Ganz im üblichen Duktus von BDS wettert Farid Esack gegen ein „israelische Apartheidssystem“ und verharmlost so nicht nur die tatsächlichen Apartheid Südafrikas, sondern leugnet auch die Gleichberechtigung jüdischer und arabischer Israelis. URL: https://www.facebook.com/photo.php?[fbid=10209735252963462&set=a.3524381833638&type=3&theater&ifg=1

[5] https://kerem-schamberger.de/2016/08/01/willkommen-im-land-der-mauern/

[6] https://kerem-schamberger.de/2016/08/01/willkommen-im-land-der-mauern/

[7] Alle nachfolgenden Zitate aus: http://kommunisten.de/attachments/5103_08_Rede_DKP_180714_muenchen.pdf

[8] http://www.israelheute.com/Default.aspx?tabid=179&nid=34227

[9] https://www.welt.de/politik/ausland/article181718252/Israel-Konflikt-Die-Selbstdemontage-einer-palaestinensischen-Ikone-Ahmed-Tamimi.html

[10] https://www.youtube.com/watch?v=Jh1zau0ranE 12:08 min

[11] https://www.youtube.com/watch?v=Jh1zau0ranE 17:40 min

[12] https://www.youtube.com/watch?v=Jh1zau0ranE 38:11 min

[13] https://medienblog.hypotheses.org/2668

[14] https://de.sputniknews.com/gesellschaft/20180523320830951-propaganda-medien-kritik/

[15] https://medienblog.hypotheses.org/1178

[16] https://medienblog.hypotheses.org/1052