An die aktive Fachschaft Politikwissenschaften

Im Folgenden möchten wir ein E-Mail-Dialog mit der Aktiven Fachschaft Politikwissenschaften veröffentlichen. Der Grund für die Veröffentlichung liegt in der ausweichenden bzw. ausbleibenden Bezugnahme auf unsere Kritik auf die Einladung von Kerem Schamberger und Michael Meyen. Die Antwort der Fachschaft ist unter unserer Antwort zu finden.

An die Aktive Fachschaft Politikwissenschaft:

Immerhin habt ihr unsere Kritik an der Einladung von Kerem Schamberger und Michael Meyen zur Kenntnis genommen. Allerdings lässt eure Reaktion zu wünschen übrig.

Unsere Kritik an den Positionen Schambergers ist kein Vorwurf, wie ihr es schreibt, sondern eben eine Kritik. „Antisemitismus ist nicht, wie […] oft insistiert wird, ein (ungerechtfertigter) ,Vorwurf‘, sondern wenn Äußerungen zu Israel als antisemitisch klassifiziert werden, dann handelt es sich dabei in der Regel um eine Kritik an antisemitischen Positionen. Wer diese entkräften will, müsste also argumentieren, warum die eigene Position nicht antisemitisch ist – und nicht Kritik zum ‚Vorwurf‘ verniedlichen und damit relativieren.“ (Salzborn 2013: 5)

Darum hättet ihr auf das von uns gelieferte Material eingehen müssen und es ist relativ unbedeutend was ihr für eigene Recherchen anstellt. Wir haben beim Verfassen unseres Textes die Arbeits-definition zu israelbezogenem Antisemitismus des European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia zugrunde gelegt. Die Definition lautet:

„Beispiele von Antisemitismus im Zusammenhang mit dem Staat Israel und unter Berücksichtigung des Gesamtkontextes können folgende Verhaltensformen einschließen, ohne auf diese beschränkt zu sein:

  • Das Abstreiten des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, z.B. durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen.
  • Die Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet und verlangt wird.
  • Das Verwenden von Symbolen und Bildern, die mit traditionellem Antisemitismus in Verbindung stehen (z.B. der Vorwurf des Christusmordes oder die Ritualmordlegende), um Israel oder die Israelis zu beschreiben.
  • Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik der Nationalsozialisten.
  • Das Bestreben, alle Juden kollektiv für Handlungen des Staates Israel verantwortlich zu machen.“1

Wir sind davon ausgegangen, dass die von uns gesammelten Aussagen von Schamberger und Meyen sich selbst diskreditieren und kaum einer nähren Erläuterung bedürfen. Da dies zumindest für euch nicht der Fall war hier noch einmal Schritt für Schritt:

Kerem Schamberger teilt mehrfach Karikaturen von Carlos Latuff und lobt ihn ausdrücklich.2 Latuff setzt in seinen Karikaturen regelmäßig die israelische Politik mit der Politik der Nationalsozialisten gleich. Mit der ersten der beiden hier abgebildeten Zeichnungen gewann er 2015 den 2. Platz des Holocaust-Karikaturen Wettbewerbs des islamischen Regimes im Iran.

Außerdem unterstützt Schamberger die BDS-Kampagne.3 Diese wird von renommierten Antisemitismusforscherinnen und -forschern wie Samuel Salzborn als antisemitisch kritisiert, gerade weil sie die Bedrohung der Existenz Israels durch Terrororganisationen ignoriert oder sogar leugnet.. Genau wie andere BDS-Anhänger*innern bezeichnet Schamberger Israel als „Apartheidsstaat“4. Das delegitimiert die Existenz des Staates und erfüllt somit den ersten Punkt der oben genannten Definition. Samuel Salzborn schreibt: „Die BDS-Kampagne ist eine moralisch imprägnierte palästinensische Interessenartikulation, mit der international der politische Druck auf Israel erhöht und die palästinensische Politik flankiert werden soll. An wesentlichen Punkten der Kampagne kann gezeigt werden, dass sie nicht um Kritik bemüht ist, sondern ihrer Intention nach antisemitisch.“ (Salzborn 2013: 12)

Wir haben nachgewiesen, dass Schamberger mit der PFLP sympathisiert5, die Israel vernichten will und immer wieder Terroranschläge gegen die israelische Bevölkerung ausführt6. Seine Begeisterung für Ahed Tamimi schlägt in die gleiche Kerbe. Tamimi möchte den Weg der Märtyrer beschreiten7, fordert die Entfernung des israelischen Staates aus dem Nahen Osten und legitimiert dafür „Messer-attacken, Selbstmordanschlägen oder das Werfen von Steinen“8 auf Israelis.

Falls es euch noch nicht aufgefallen ist: Die Gruppierungen bzw. Personen die Schamberger unter-stützt, leugnen nicht nur das Existenzrecht Israels, sondern arbeiten aktiv daran die Existenz des einzigen jüdischen Staates zu beseitigen. Das ist, sogar nach eurer eigenen Aussage, antisemitisch.

In seiner Rede für die DKP von 2014 reißt Schamberger die israelische Militäroperation aus ihrem Kontext und stellt sie als einseitige ungerechtfertigte Aggression dar.9 Er erwartet von Israel, dass die Entführung und Ermordung von drei seiner Staatsbürger ohne Reaktion hingenommen wird. Das würde man von keinem anderen demokratischen Staat erwarten. Er legt hier also einen doppelten Standard an. In der gleichen Rede bezeichnet er die israelische Regierung als von Faschisten durchsetzt, rückt sie also in die Nähe des Nationalsozialismus. Er verstärkt dieses Bild noch in dem er Israel als „Vertreter des gleichen kapitalistischen Systems“ benennt, das Auschwitz hervorgebracht hat.10 Diese Aussagen sind ebenfalls, wie man oben in der Definition des EUMC lesen kann, als antisemitisch zu deklarieren.

Wir haben euch im ursprünglichen Text nicht unterstellt die Positionen von Meyen und Schamberger zu teilen, sondern wollten euch über deren Untragbarkeit aufklären. Eure Reaktion führt allerdings dazu, dass man euch mindestens unterstellen kann solche Aussagen zu tolerieren.

Wenn die Fachschaft Politikwissenschaft nicht nur Lippenbekenntnisse ablegen will, sondern Antisemitismus tatsächlich bekämpfen möchte, wäre es das Mindeste Menschen wie Kerem Schamberger und Michael Meyen nicht einzuladen.

OAT Marburg Oktober 2018

Leseempfehlung und Quelle der Zitate von Samuel Salzborn: Salzborn, Samuel (2013): „Israelkritik oder Antisemitismus? Kriterien für eine Unterscheidung“. Kostenfrei abrufbar unter: www.salzborn.de/txt/2013_Kirche-und-Israel.pdf

1Die deutsche Übersetzung der im Original englischsprachigen Definition ist abrufbar unter: https://european-forum-on-antisemitism.org/definition-of-antisemitism/deutsch-german

10Ebd.

Originalantwort der Aktiven Fachschaft Politikwissenschaften

Hallo liebes OAT-Marburg,

Antisemitismus soll niemals salonfähig werden und muss in jeder Art und Weise bekämpft werden, dies steht außer Frage!
Antisemitismus ist eine Einstellung derer, die etwas gegen Jüd*innen haben oder gar die Existenz der jüdischen Bevölkerung oder die des israelischen Staates in Frage stellen. Solche Vorwürfe gegenüber Kerem Schamberger zu äußern sehen wir äußerst kritisch, denn dieser stellt die o. g. Existenzen, nach unseren Recherchen, in keiner Weise in Frage. Es sollte ganz klar unterschieden werden, zwischen der Politik des israelischen Staates und der jüdischen Bevölkerung. Die inflationäre Verwendung des Begriffs „Antisemit*innen“ birgt zudem die Gefahr, diese Begrifflichkeit zu verharmlosen, was unserer Auffassung nach niemals geschehen darf!
Kerem Schamberger möchte in seinem Vortrag auf die miserablen Zustände in den kurdischen Gebieten und die fatale Politik der türkischen Regierung aufmerksam machen, was der hauptsächliche Grund für die Einladung ist.

Wir möchten zudem betonen, dass wir als Fachschaft keine politische Partei ergreifen, sondern eine Plattform bieten möchten um die Kommunikation und Diskussion über bewegende Themen aufrecht zu erhalten, denn nur so können Missstände angegangen werden. Dies soll natürlich nicht heißen, dass wir unpolitisch seien.

Gerne laden wir euch ein, euch selbst über die Inhalte des Vortrags vor Ort zu informieren.

Freundliche Grüße senden euch!

Die aktive Fachschaft Politikwissenschaft