Redebeitrag zum Internationalen Frauenkampftag 2018

Zum diesjährigen Internationalen Frauenkampftag hat das Autonome FrauenLesbenReferat Marburg eine feministische Vorabenddemonstration organisiert. Dort hat auch das Offene Antifa Treffen Marburg einen Redebeitrag gehalten, den ihr hier noch einmal in Schriftform lesen könnt.

Über die Bedeutung von Feminismus heute

Brauchen wir heute Feminismus?

Wenn doch der verankerte gesellschaftliche Diskurs behauptet, dass es Sexismus nicht gibt und Frauen* doch gleichgestellt seien. Dass es Gesetze gibt, die diese Gleichstellung suggerieren. Dass Frauen* heute doch studieren dürfen und arbeiten. Sie seien nicht mehr an den Haushalt gebunden. Und ihr Leben nicht mehr von Kirche, Kindern und Küche bestimmt. Dass sie sich ihre Jobs aussuchen können. Und dass alles ja sowieso viel besser sei als noch vor 100 Jahren.

Wenn Frau* sich heute als Feministin bezeichnet, ist die Reaktion ein Aufschrei der Empörung, wie sie denn könne. Undankbar sei dieser Feminismus, da er sich an herbeigezogenen Problemen aufhält und überhaupt nichts zu schätzen weiß. Dabei sind es genau diese gesellschaftlich verankerten Argumentationen, die einen noch stärkeren Feminismus nach sich ziehen müssen. Denn genau darin liegen die Gründe für unsere Kritik.

Denn wem bitte soll es reichen, dass das eigene Leben nicht mehr durch die Geburt von Kindern bestimmt sein soll?

Es reicht nicht zu behaupten, Frauen* und Männer seien vor dem Gesetz gleich. Denn dies lässt über Jahrtausende gewachsene Strukturen einer Gesellschaft außer Acht. Patriarchale Strukturen, die heute genau wie vor 100 Jahren Unterdrückung schaffen.

Strukturen, die nicht durch Worte überwunden werden können, die am Anfang eines Gesetzestextes stehen.

Es reicht nicht zu sagen, dass Frauen* heute arbeiten dürfen, und dabei zu vergessen, dass diese in einer extrem ausgeprägten Doppelbelastung stehen.

Es reicht nicht zu behaupten, dass es heute möglich sei, sich das Arbeitsfeld auszusuchen, wenn Frauen* in vielen Bereichen immer noch unterrepräsentiert sind.

Es reicht nicht!

Nein, wir fordern wirkliche Veränderung, wirkliche Anerkennung bestehender Probleme und wirkliches Interesse an Lösungen.

Wir haben es satt!

Wenn wir über unsere Erfahrungen berichten, werden wir weder gehört, noch ernst genommen, geschweige denn verstanden. Ein Problem, das auch unter Frauen* selber besteht.

Darum supportet FLTI*-Räume und nutzt sie. Hört anderen Frauen* zu, wenn sie von ihren Erfahrungen berichten. Versucht sie zu unterstützen und ihnen das Gefühl zu geben, dass sie nicht alleine sind.

Hinterfragt die eigenen Handlungsmuster. Gesteht euch ein, wenn ihr Fehler macht. Lasst euch von Genossinnen helfen und lernt gemeinsam.

Organisiert euch, schafft Räume und Strukturen für wirklichen Austausch, für gemeinsame Lernprozesse und Bewegung.

Informiert euch und Genossinnen über Tage wie den 8. März, seine Gründe und darüber, was Frauenbewegungen schon erreicht haben.

Unterstützt Frauen* im Alltag mit eurer Solidarität und Positionierung. Denn es gibt keine wichtigen und unwichtigen Kämpfe im Feminismus.

Es gibt viele Formen von Solidarität und viele Formen des Feminismus.

Feminismus heißt nicht nur theoretische Kämpfe und beschäftigt sich auch nicht nur mit der Bezahlung von Frauen*.

Feminismus hat viele Facetten und jede von ihnen ist notwendig.

Einige der frühesten feministischen Kämpfe beschäftigten sich mit Bezahlung und Arbeitsrechten von Frauen* sowie dem Kampf um das passive und aktive Wahlrecht. Aber er geht um viel mehr.

Es geht um gesellschaftliche Zuschreibungen und Bewertungen von Berufen als „weiblich“ oder „männlich“. Die deutlichste Ausprägung ist hier z.B. im Care-bereich zu finden.

Feminismus ist der Kampf um Selbstbestimmung. Ganz aktuell gibt es hier Anknüpfungspunkte zu der Debatte um Schwangerschaftsabbrüche und der Forderung auf das Recht auf Informationen und freie Ärzt*innenwahl sowie der Entkriminalisierung.

Doch auch hier sind die Kämpfe vielschichtig und divers. Bei der Frage nach Selbstbestimmung geht es bei weitem nicht nur um Schwangerschaftsabbrüche. Es geht um Wertung von weiblicher Sexualität, um medizinische Behandlung weiblicher Körper und um rechtliche Möglichkeiten.

Aber feministische Kämpfe richten sich auch gegen geschellschaftlich-verankerte Körper und Rollenbilder. Ob es dabei darum geht, wie ein Frauen*-Körper auszusehen hat und was er alles braucht oder nicht haben darf, um weiblich zu sein, oder die Objektivierung von Frauen* in Werbungen und anderen medialen Darstellungen. Oder darum, wem im Zweifelsfall mehr geglaubt wird und wessen Stimme mehr Gewichtung hat.

Es gibt viel zu tun. Aber es lohnt sich.

Denn Frauen*bewegungen haben über Jahrhunderte viel geschafft und Themen etabliert, bei denen es weiter zu kämpfen gilt.

Vor 100 Jahren wurde endlich das Wahlrecht für Frauen* erreicht. Es gab deutliche Verbesserungen im Miet- und Finanzrecht sowie weitere wichtige gesetzliche Änderungen.

Feministische Bewegungen haben es nicht nur versucht, sondern auch geschafft, aktiv Einfluss auf soziale Rollenbilder zu nehmen, und müssen das auch weiterhin tun.

Darum ist es heute immer noch wichtig und notwendig, diese sozialen Kämpfe zu führen und zu unterstützen, da Feminismus die erste Bewegung war, die das Patriarchat als Struktur benannt und angegriffen hat.

Es ist Zeit für eine wirkliche Gleichberechtigung alles Geschlechter.

Und Zeit für wirkliche Veränderung.

Also gilt im März 2018 wie zu jeder anderen Zeit:

Still here, still fighting for feminism!